WM 2022: England scheitert tragisch gegen Frankreich

Author: DER SPIEGEL

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Am liebsten unsichtbar werden: Harry Kane nach seinem verschossenen Elfmeter

Foto: PAUL ELLIS / AFP

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England, deine Elfmeter: Vier Schritte Anlauf, ein strammer Schuss und ein Ball, der sich in den katarischen Nachthimmel erhob. Harry Kane hatte kurz vor Schluss vom Elfmeterpunkt die große Chance, das Spiel gegen Frankreich auszugleichen. Zuvor hatte er bereits einen Strafstoß souverän verwandelt. Ansatzlos in den linken Winkel. Den Zweiten vergab er dann. Und die ganze Fußballwelt lacht sich mal wieder schlapp über England und seinen Kapitän. Wieder steht den Engländern ein Elfmeter im Weg, es ist leicht, sich über die Briten und Kane lustig zu machen. So wie die englische Boulevardzeitung »The Sun«, die Kane in »Harry Pain« umtaufte. Dabei hatten die Engländer den Weltmeister am Rande einer Niederlage, wurden in manchen Aktionen vom Schiedsrichter benachteiligt – und hatten dann einfach Pech. Es ist tragisch.

Ergebnis: Frankreich besiegte England 2:1 (1:0) und zieht damit ins WM-Halbfinale ein. Hier geht’s zum Spielbericht.

Sicher vom Punkt: Sein souveräner Elfmetertreffer in der 54. Minute machte Harry Kane zum erfolgreichsten Torschützen in der Geschichte der englischen Nationalmannschaft. 53 Treffer hat der Tottenham-Stürmer nun erzielt, ebenso viel wie Wayne Rooney. Fast noch verblüffender: Mit vier Strafstoßtoren ist Kane nun WM-Rekordhalter. Nachdem ihm das Fünfte verwehrt geblieben war, wird ihn dieser Rekord herzlich wenig interessieren.

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4 – No player has scored more penalties in World Cup history than Harry Kane, with tonight his fourth goal from the spot in the competition (exc. shootouts). Reliable. pic.twitter.com/qgpsl4Hrft

&mdash; OptaJoe (@OptaJoe) December 10, 2022

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Atemlos: Wieder blieben im Al-Bait-Stadion einige Plätze frei, obwohl das Spiel als ausverkauft gemeldet wurde. Wenn wirklich jemand eine Karte besessen haben sollte und sich diesen Schlager entgehen ließ, muss man sagen: Selbst schuld. Mit England und Frankreich trafen sich zwei Teams auf Augenhöhe. Es war das erste richtig offene Viertelfinalspiel dieser WM, nachdem sich bislang des Öfteren eine Mannschaft hinten eingeigelt hatte. Aurélien Tchouaméni brachte die Franzosen früh in Führung (18.), dann übernahm England. Bukayo Saka dribbelte unwiderstehlich, Kane verteilte die Bälle und kam selbst zum Abschluss. Auf der anderen Seite lauerte Kylian Mbappé an der Mittellinie, jederzeit bereit, den Turbo zu zünden.

England, deine Torhüter: Über Jahrzehnte hielten englische Fußballfans den Atem an, wenn ein Ball in Richtung Tor flog. David Seaman, der bei der WM 2022 einen Ronaldinho-Freistoß durchrutschen ließ, konnte der Abwehr ebenso wenig Stabilität verleihen wie sein Nachfolger David James, Spitzname »Calamity James«. Mit Joe Hart lief es dann lange gut, ehe er im EM-Achtelfinale 2016 gegen Island gleich doppelt patzte. Mittlerweile haben die Engländer mit Jordan Pickford einen Mann mit viel Qualität zwischen den Pfosten. Gegen den Senegal hielt Pickford die Three Lions im Spiel. Beim Gegentreffer gegen Frankreich durch Tchouaméni reagierte Pickford zu spät, kam deshalb nicht mehr an den Ball. Ein kleiner Fehler, wie ihn jeder Spieler auf dem Feld mehrfach macht. Ein Fehler, der aber bei einem Keeper spielentscheidend ist. Danach zeigte Pickford mehrere starke Paraden und machte klar: Der starke englische Kader hat definitiv kein Torhüterproblem.

Fast: Jordan Pickford beim ersten Gegentreffer

Foto: PETER CZIBORRA / REUTERS

Nicht auf der Höhe: Schiedsrichter Wilton Sampaio zog gleich mehrfach den Ärger der Engländer auf sich. Etwa vor dem Führungstreffer: Dayot Upamecano klaute Saka den Ball mit einem Manöver, das nicht mehr unter englische Härte fiel. Ein paar Sekunden später fiel das Tor. Auch danach agierte Sampaio unglücklich, als Upamecano Kane kurz vor der Strafraumgrenze zu Fall brachte, die Pfeife aber auch nach Check des VAR stumm blieb.

Nur ein Mensch? Auch wenn England das Halbfinale verpasst hat, so haben sie doch eines gezeigt: Es ist bei dieser WM möglich, die Kreise von Kylian Mbappé zumindest einzuengen. Kyle Walker folgte ihm auf Schritt und Tritt und verzichtete dafür sogar auf seine gefürchteten Offensivausflüge. Dabei musste Walker selten allein gegen den Superstar antreten, meist bekam er Unterstützung aus dem defensiven Mittelfeld. Dass der pfeilschnelle Angreifer dennoch seine Aktionen hatte, ist klar. Aber Mbappé hat definitiv schon dominantere Spiele gezeigt. Beteiligt war er am ersten Tor dennoch: Er dribbelte in die Mitte, zog die Aufmerksamkeit von drei Gegenspielern auf sich – und niemand kümmerte sich um Tchouaméni.

Nur nicht aus den Augen lassen: Kyle Walker und Jordan Henderson gegen Kylian Mbappé

Foto: GIUSEPPE CACACE / AFP

Dann eben Giroud: Weil Mbappé aber nicht wie gewohnt zum Abschluss kam, halfen eben andere aus. Wie in der zweiten Hälfte Olivier Giroud, der erst eine große Chance vergab und Frankreich kurz darauf zum Sieg köpfte (78.). Der Treffer in der zweiten Hälfte kam für England zur Unzeit. Jude Bellingham und Harry Maguire per Kopf hätten fast für England getroffen, das dem zweiten Tor näher war als die Franzosen. Der Ausgleich durch Kane zum 1:1 war überfällig. Und auch über das 2:2 hätte sich die Equipe Tricolore nicht beschweren dürfen. So schied England mal wieder im Viertelfinale aus, nachdem sie bei der WM 2018 ins Halbfinale und bei der EM 2021 ins Finale gestürmt waren. Die jungen Engländer, sie sind dennoch eine reife Turniermannschaft.

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Stolpergefahr: Auf Frankreich wartet jetzt Marokko, und in gar nicht mehr so weiter Ferne das WM-Finale, mit Argentinien als möglichem Gegner. Doch die Hürde im Halbfinale ist nicht zu unterschätzen. Marokko wird den Franzosen keinen Meter Platz zum Kontern lassen – und mit Achraf Hakimi einen pfeilschnellen Mbappé-Bewacher aufbieten.