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Trevor Francis – Nachruf auf den englischen Nationalstürmer und ersten Millionen-Mann

Author: DER SPIEGEL

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Trevor Francis bei der WM 1982

Trevor Francis bei der WM 1982


Foto: IMAGO / IMAGO/Colorsport

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Als sie sich 1979 bei Nottingham Forest die Dienste des englischen Nationalstürmers Trevor Francis für rund 1,15 Millionen Pfund sicherten, war ihnen die Angelegenheit nicht ganz geheuer. Die bisherige Rekordablöse für einen britischen Fußballer hatte gerade mal bei der Hälfte gelegen, im Verein stand einigen der Schweiß auf der Stirn ob des eingegangenen Risikos.

Trainerlegende Brian Clough tat alles, um seinen Zugang nicht an der Last zerbrechen zu lassen. Bei der Vorstellung des neuen Stars zeigte er sich demonstrativ mit Squashschläger und Sportklamotten, als sei der erste Millionentransfer nur eine lästige Unterbrechung seines Tagwerks. Und überhaupt, das mit der Million stimme ja gar nicht, der amtierende Meister habe nur 999.999 Pfund für den Neuen gezahlt.

Francis als Wunderkind bei Birmingham City

Francis als Wunderkind bei Birmingham City


Foto: imago sportfotodienst

Worüber sich alle Beobachter einig waren: Wenn, ja wenn, dann wäre eine solch horrende Ablöse nur für einen Spieler wie Trevor Francis gerechtfertigt. In Birmingham debütierte er bereits mit 16 Jahren in der ersten Mannschaft, ein Altersrekord, der Jahrzehnte später von einem gewissen Jude Bellingham gebrochen werden sollte. Vor seinem 17. Geburtstag erzielte er gegen die Bolton Wanderers vier Treffer in einem Spiel, mehr als 100 sollten es bis zu seinem Wechsel zu Nottingham werden.

Siegtreffer im Europapokalfinale

Vor lauter Aufregung über den treffsicheren Neuen verpatzten sie bei Forest erst einmal seine Spielberechtigung, und auch im Europapokal war er einschließlich des Halbfinals nicht einsatzfähig. Also durfte er leihweise in die bunte Welt der Major League Soccer und schoss in den USA alles in Grund und Boden.

Zurück in Europa machte er Forest mit dem 1:0-Siegtreffer gegen Malmö FF zum Gewinner des Landesmeistercups. Es war seine erste internationale Partie für den Klub. Ein Jahr später wiederholte Forest dieses Kunststück, im Finale gegen den HSV fehlte Francis allerdings verletzt und musste die Partie im Fernsehen anschauen. Trainer Clough wollte ihn, den Angeschlagenen, nicht dabeihaben, das bringe Unglück.

Der spätere Trainer Francis bei Crystal Palace

Der spätere Trainer Francis bei Crystal Palace


Foto: Andy Hooper/Daily Mail/Shutterstock / imago images/Shutterstock

Es war eine dieser Verletzungen, die eine noch größere Karriere des Ausnahmestürmers verhinderten. Er schlich entlang der Abwehrlinie, touchierte mit Vorliebe seine Gegenspieler mit der Schulter und beschleunigte urplötzlich wie kein anderer Stürmer seiner Generation. Diese enorme Geschwindigkeit hatte er sich als Jugendlicher mit unzähligen Sprints verbissen angeeignet. Einer wie er, der auch auf den Flügeln eine exzellente Figur machte, war wie geschaffen für die große Fußballbühne, doch trotz 52 Länderspielen, in denen er mit zwölf Treffern grotesk selten traf, blieb ihm der internationale Ruhm weitgehend verwehrt.

Nicht qualifiziert, verletzt, auf Abruf nominiert

Für die WM 1978 hatte sich England ebenso wenig wie für die EM 1984 qualifizieren können, die EM-Endrunde 1980 hatte er angeschlagen verpasst, in den WM-Kader 1986 schaffte er es nur »auf Abruf«. So blieb ihm nur das WM-Turnier 1982 in Spanien.

Um zu verstehen, wie groß Francis damals war, hilft die Geschichte seines Wechsels zu Manchester City. Die Fans waren ob ihres prominenten Zugangs derart begeistert, dass sie mit 10.000 Anhängern zu seinem ersten Auftritt nach Stoke fuhren – Travis traf zweifach, natürlich.

Zweifach traf der mittlerweile 28-Jährige auch beim Turnier in Spanien. In der Vorrunde gewannen die Three Lions alle drei Partien gegen Frankreich, die ČSSR und Kuwait, in der Zwischenrunde blieben sie beim 0:0 gegen Deutschland und Spanien ohne Gegentor und schieden dennoch aus. Der seltsame Modus wurde anschließend abgeschafft – zu spät für Francis.

Francis mit dem Europapokal, 35 Jahre nach dem Titelgewinn

Francis mit dem Europapokal, 35 Jahre nach dem Titelgewinn


Foto: Fabio De Paola / AP

So spektakulär sein Auftreten auf dem Platz, so unscheinbar bewegte sich der Junge aus den Midlands im Kollegenkreis. Dass er der erste Millionen-Mann im britischen Fußball war, stieg ihm nicht zu Kopf, blieb aber stete Belastung. »Paris Saint-Germain hat fast 200 Millionen Pfund für Neymar ausgegeben, aber ich glaube nicht, dass diese Summe die gleiche magische Anziehungskraft hat wie eine Million Pfund damals«, sagte er wenige Jahre vor seinem Tod.

Stationen in Italien und Schottland

Nach der so unglücklich verlaufenden WM 1982 zog es ihn nach Italien, wie mehrere britische Fußballer. Mark Hateley und Ray Wilkins spielten bei Milan, Ian Rush bei Juventus. Francis blieb fünf Jahre in der Serie A, erst bei Sampdoria, dann bei Atalanta.

Englands Klubs waren mittlerweile zu Aussätzigen im europäischen Fußball geworden, nach der Tragödie im Brüsseler Heysel-Stadion mit 39 Toten waren sie für fünf Jahre von den Europapokalwettbewerben ausgeschlossen worden. So entfalteten plötzlich andere Destinationen große Anziehungskraft: Francis’ ehemaliger Teamkollege Graeme Souness holte ihn nach Glasgow zu den Rangers. Die Ablöse ein gelungener Gag im Fußballuniversum: 75.000 Pfund.

Trauer bei den Ex-Klubs

Die Rangers gehörten zu den zahlreichen Klubs, die am Tag der Todesmeldung um Francis trauerten. 2012 hatte er seinen ersten Herzinfarkt erlitten, 2017 musste er Abschied von seiner Partnerin Helen nehmen, mit der er seit 1974 verheiratet gewesen war. Francis, der Mann, dessen Millionentransfer der Startschuss für das sich immer schneller drehende Ablöserad gab, starb im Alter von 69 Jahren in seinem Zuhause in Marbella.

Der englische Fußball nimmt Abschied von einem, wie es Gary Lineker ausdrückte, »wundervollen Fußballer und liebenswerten Menschen«.


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Trevor Francis bei der WM 1982

Trevor Francis bei der WM 1982

Foto: IMAGO / IMAGO/Colorsport

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Als sie sich 1979 bei Nottingham Forest die Dienste des englischen Nationalstürmers Trevor Francis für rund 1,15 Millionen Pfund sicherten, war ihnen die Angelegenheit nicht ganz geheuer. Die bisherige Rekordablöse für einen britischen Fußballer hatte gerade mal bei der Hälfte gelegen, im Verein stand einigen der Schweiß auf der Stirn ob des eingegangenen Risikos.

Trainerlegende Brian Clough tat alles, um seinen Zugang nicht an der Last zerbrechen zu lassen. Bei der Vorstellung des neuen Stars zeigte er sich demonstrativ mit Squashschläger und Sportklamotten, als sei der erste Millionentransfer nur eine lästige Unterbrechung seines Tagwerks. Und überhaupt, das mit der Million stimme ja gar nicht, der amtierende Meister habe nur 999.999 Pfund für den Neuen gezahlt.

Francis als Wunderkind bei Birmingham City

Francis als Wunderkind bei Birmingham City

Foto: imago sportfotodienst

Worüber sich alle Beobachter einig waren: Wenn, ja wenn, dann wäre eine solch horrende Ablöse nur für einen Spieler wie Trevor Francis gerechtfertigt. In Birmingham debütierte er bereits mit 16 Jahren in der ersten Mannschaft, ein Altersrekord, der Jahrzehnte später von einem gewissen Jude Bellingham gebrochen werden sollte. Vor seinem 17. Geburtstag erzielte er gegen die Bolton Wanderers vier Treffer in einem Spiel, mehr als 100 sollten es bis zu seinem Wechsel zu Nottingham werden.

Siegtreffer im Europapokalfinale

Vor lauter Aufregung über den treffsicheren Neuen verpatzten sie bei Forest erst einmal seine Spielberechtigung, und auch im Europapokal war er einschließlich des Halbfinals nicht einsatzfähig. Also durfte er leihweise in die bunte Welt der Major League Soccer und schoss in den USA alles in Grund und Boden.

Zurück in Europa machte er Forest mit dem 1:0-Siegtreffer gegen Malmö FF zum Gewinner des Landesmeistercups. Es war seine erste internationale Partie für den Klub. Ein Jahr später wiederholte Forest dieses Kunststück, im Finale gegen den HSV fehlte Francis allerdings verletzt und musste die Partie im Fernsehen anschauen. Trainer Clough wollte ihn, den Angeschlagenen, nicht dabeihaben, das bringe Unglück.

Der spätere Trainer Francis bei Crystal Palace

Der spätere Trainer Francis bei Crystal Palace

Foto: Andy Hooper/Daily Mail/Shutterstock / imago images/Shutterstock

Es war eine dieser Verletzungen, die eine noch größere Karriere des Ausnahmestürmers verhinderten. Er schlich entlang der Abwehrlinie, touchierte mit Vorliebe seine Gegenspieler mit der Schulter und beschleunigte urplötzlich wie kein anderer Stürmer seiner Generation. Diese enorme Geschwindigkeit hatte er sich als Jugendlicher mit unzähligen Sprints verbissen angeeignet. Einer wie er, der auch auf den Flügeln eine exzellente Figur machte, war wie geschaffen für die große Fußballbühne, doch trotz 52 Länderspielen, in denen er mit zwölf Treffern grotesk selten traf, blieb ihm der internationale Ruhm weitgehend verwehrt.

Nicht qualifiziert, verletzt, auf Abruf nominiert

Für die WM 1978 hatte sich England ebenso wenig wie für die EM 1984 qualifizieren können, die EM-Endrunde 1980 hatte er angeschlagen verpasst, in den WM-Kader 1986 schaffte er es nur »auf Abruf«. So blieb ihm nur das WM-Turnier 1982 in Spanien.

Um zu verstehen, wie groß Francis damals war, hilft die Geschichte seines Wechsels zu Manchester City. Die Fans waren ob ihres prominenten Zugangs derart begeistert, dass sie mit 10.000 Anhängern zu seinem ersten Auftritt nach Stoke fuhren – Travis traf zweifach, natürlich.

Zweifach traf der mittlerweile 28-Jährige auch beim Turnier in Spanien. In der Vorrunde gewannen die Three Lions alle drei Partien gegen Frankreich, die ČSSR und Kuwait, in der Zwischenrunde blieben sie beim 0:0 gegen Deutschland und Spanien ohne Gegentor und schieden dennoch aus. Der seltsame Modus wurde anschließend abgeschafft – zu spät für Francis.

Francis mit dem Europapokal, 35 Jahre nach dem Titelgewinn

Francis mit dem Europapokal, 35 Jahre nach dem Titelgewinn

Foto: Fabio De Paola / AP

So spektakulär sein Auftreten auf dem Platz, so unscheinbar bewegte sich der Junge aus den Midlands im Kollegenkreis. Dass er der erste Millionen-Mann im britischen Fußball war, stieg ihm nicht zu Kopf, blieb aber stete Belastung. »Paris Saint-Germain hat fast 200 Millionen Pfund für Neymar ausgegeben, aber ich glaube nicht, dass diese Summe die gleiche magische Anziehungskraft hat wie eine Million Pfund damals«, sagte er wenige Jahre vor seinem Tod.

Stationen in Italien und Schottland

Nach der so unglücklich verlaufenden WM 1982 zog es ihn nach Italien, wie mehrere britische Fußballer. Mark Hateley und Ray Wilkins spielten bei Milan, Ian Rush bei Juventus. Francis blieb fünf Jahre in der Serie A, erst bei Sampdoria, dann bei Atalanta.

Englands Klubs waren mittlerweile zu Aussätzigen im europäischen Fußball geworden, nach der Tragödie im Brüsseler Heysel-Stadion mit 39 Toten waren sie für fünf Jahre von den Europapokalwettbewerben ausgeschlossen worden. So entfalteten plötzlich andere Destinationen große Anziehungskraft: Francis’ ehemaliger Teamkollege Graeme Souness holte ihn nach Glasgow zu den Rangers. Die Ablöse ein gelungener Gag im Fußballuniversum: 75.000 Pfund.

Trauer bei den Ex-Klubs

Die Rangers gehörten zu den zahlreichen Klubs, die am Tag der Todesmeldung um Francis trauerten. 2012 hatte er seinen ersten Herzinfarkt erlitten, 2017 musste er Abschied von seiner Partnerin Helen nehmen, mit der er seit 1974 verheiratet gewesen war. Francis, der Mann, dessen Millionentransfer der Startschuss für das sich immer schneller drehende Ablöserad gab, starb im Alter von 69 Jahren in seinem Zuhause in Marbella.

Der englische Fußball nimmt Abschied von einem, wie es Gary Lineker ausdrückte, »wundervollen Fußballer und liebenswerten Menschen«.

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