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DFB-Vize Hans-Joachim Watzke und der Kinderfußball: Was will der BVB-Boss?

Author: DER SPIEGEL

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Hans-Joachim Watzke will die Reform der Reform

Hans-Joachim Watzke will die Reform der Reform


Foto:

Moritz Müller / IMAGO


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Worum geht es?

Kann nachhaltiger Spaß falsch sein? Im deutschen Fußball ist ein Streit über die Ausrichtung des Nachwuchses entbrannt . Ab der Saison 2024/2025 soll es veränderte Spielformen geben, kleinere Mannschaften, kleinere Spielfelder, kleinere Tore, weniger Ergebnisse. Das Ziel: weniger Leistungsdruck, mehr Entwicklung bei unter Elfjährigen. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) will durch das Konzept seine Basis stärken. Kinder sollen dem Fußball erhalten bleiben.

Die Motivation des DFB scheint klar: In der DFB-Mitgliederstatistik werden immer weniger Juniorenmannschaften geführt, 2009 waren es bei den Jungen noch 102.958 Teams. 2013 schon nur noch 92.706, zehn Jahre später 87.790 Teams. Der Trend der Mannschaften, die ausreichend Spieler für den Spielbetrieb im Jugendbereich zusammentrommeln können, zeigt deutlich nach unten.

Aber wie geht man damit um? Laut einer Studie des Verbands sagen 99 Prozent der Befragten aus dem Amateurfußball, dass Kinder möglichst viel Spaß am Spiel haben sollen. Wer den klassischen organisierten Fußball der Jüngsten in seiner Ursprungsform kennt, der weiß jedoch, dass er sich nur in seinem Ausmaß vom Fußball der Großen unterscheidet: Es gibt kleinere Felder, kleinere Tore, nur sieben Spielerinnen und Spieler pro Team und kein Abseits. In Ligen auf Kreisebene spielen die Teams um Titel. Das war selbst bei den Kleinsten so. Ab der F-Jugend geht es um Leistung.

Um das zu ändern, beschloss der DFB-Bundestag im vergangenen Jahr die Reform . Von der U6 bis zur U11 soll es Spielenachmittage in einer Turnierform geben. Ergebnisse werden dann nicht mehr festgehalten, es soll keine Tabellen geben: Teams steigen innerhalb des Turniers lediglich auf und ab. Dadurch sollen die Unterschiede zwischen den Teams nicht so groß, die Ergebnisse nicht so extrem werden. Statt nur ein Spiel pro Wochenende haben die Teams mehrere Spiele. An einem Tag können Kinder also mehrmals gewinnen und mehrmals verlieren. Gewissermaßen direkt auf Rückschläge reagieren.

Nach einer Pilotphase sollen die Strukturen im kommenden Jahr bundesweit starten. Auch dafür berief die Verbandsführung erst im August den ehemaligen Bundesligatrainer Hannes Wolf zum Entwicklungsdirektor. Wolf muss sich nun aber erst einmal rechtfertigen – gegen Vorwürfe aus dem eigenen Präsidium .

Was ist das Problem?

Hans-Joachim »Aki« Watzke bezeichnete die Reform beim Unternehmertag in Essen als »unfassbar« und »nicht nachvollziehbar«. Watzke sagte dort: »Wenn du als Sechs-, Acht- oder Neunjähriger nie das Gefühl hast, was es ist, zu verlieren, dann wirst du auch nie die große Kraft finden, um auch mal zu gewinnen. Wenn wir Angst haben, dass ein Achtjähriger komplett aus dem Lebensgleichgewicht geworfen wird, weil er mal 5:0 mit seiner Mannschaft verliert, dann sagt das auch sehr viel über die deutsche Gesellschaft aus.«


Mehr zum Thema

Weil sich Verlieren nicht mehr mit zwölf Jahren lernen lässt, so zumindest impliziert es das CDU-Mitglied Watzke. Es gebe »im DFB und in der Gesamtgesellschaft viele Leute, die sagen: Wir müssen weniger Leistungsdruck und Stress am Arbeitsplatz und lieber ein bisschen mehr Homeoffice haben. Wir müssen alle fröhlich und friedlich sein und uns alle gut vertragen und am Ende gucken, dass wir noch einen finden, der das Ganze bezahlt«. Der Nachwuchsfußball als Keimzelle des gesellschaftlichen Niedergangs?

Die Debatte erinnert an die vergleichsweise kleine Reform der Bundesjugendspiele. Bereits da hatten Konservative beklagt, dass der Leistungsgesellschaft die Grundlage entzogen werden könnte, gute Leistung würde nicht mehr belohnt. Watzke, als DFB-Vizepräsident neben Funktionären wie Rudi Völler Teil einer Kommission zur Rettung des deutschen Fußballs, will sich das nicht vorwerfen lassen und kündigte eine Reform der Reform an. »Das haben wir gerade beschlossen«, sagte er in Essen. Eine offizielle Bestätigung dafür gibt es nicht.

Die Reaktion aus dem Inneren des Verbands ist teilweise harsch. Wolf verteidigte die Reform in einer Pressemitteilung damit, dass durch die neuen Spielformen die Leistung gefordert und durch die unmittelbare Rückmeldung des Gewinnens und Verlierens gefördert werde. »Die neuen Spielformate sind nicht starr, sondern wir haben in der Zukunft immer die Möglichkeit sie weiterzuentwickeln und an die Realitäten auf Deutschlands Plätzen und auf die besten Lernbedingungen anzupassen.«

DFB-Präsident Bernd Neuendorf meldete sich via Nachrichtenagentur SID zu Wort, die Aussagen von Watzke hätten ihn überrascht. »Denn die neuen Spielformen im Kinderfußball wurden 2022 nach einer mehrjährigen Pilotphase unter enger Einbeziehung der DFL vom DFB-Bundestag in Bonn einstimmig beschlossen.« Neuendorf warf Watzke in seinen Aussagen indirekt mangelnde Kenntnistiefe vor: »Wer sich mit den neuen Spielformen beschäftigt, wird auch rasch erkennen, dass es natürlich um Leistung geht, um Gewinnen und Verlieren, um Erfolg und Misserfolg.«

Wie machen es andere Verbände?

Nun ist der DFB nur bedingt als Innovationstreiber bekannt. Warum also lehnt sich der Verband bei der Frage nach der Jugend so weit aus dem Fenster? Die Antwort ist, dass er sich gar nicht weit aus dem Fenster lehnt.

Auch der englische Fußballverband hat sich Gedanken über seine Jüngsten gemacht . Die Philosophie ähnelt der des DFB-Konzeptes, dort wird das Kopfballspiel thematisiert und in Trainingseinheiten sogar verboten (beim DFB soll es durch kleinere Spielformen automatisch umgangen werden). Darüber hinaus gibt es für unter Zehnjährige keine Ligen, sondern ebenfalls alternative Turnierformen. Das erlaube den Kindern, in einer spielerischen Umgebung zu gewinnen und zu verlieren, wie es heißt. Gespielt wird bei unter Achtjährigen in einem Fünf-gegen-fünf, bei unter Zehnjährigen im Sieben-gegen-sieben. Beim Jugendfußball für die Altersgruppen U7 und U8 geht es laut Verband um den Spaß und darum, mit Freunden zu spielen. Erst ab den Jahrgängen U9 und U10 sollen die fußballerischen Fähigkeiten im Vordergrund stehen.

Der DFB zieht auf seiner Webseite auch selbst Vergleiche : So gebe es in Frankreich bis zur U13 ebenfalls kein Ligensystem. Stattdessen werde dort auf sogenannte Fußballfestivals gesetzt, eine Idee dahinter: Alle Teammitglieder müssen mindestens die Hälfte der Gesamtspielzeit auf dem Platz stehen. Derartige Systeme gibt es auch in anderen Ländern, in Spanien etwa gibt es im Jugendfußball sogar die Drohung mit Geldstrafen, sollten nicht alle Kinder im Spielkader eingesetzt werden. Spanien ist auch ein Beispiel dafür, dass Kinder in anderen europäischen Ländern die ersten Gehversuche häufig mit Futsal wagen, einer Hallenfußballvariante mit fünf Spielern pro Team. Futsal impliziert mehr Ballaktionen pro Spielerin und Spieler und einen größeren Fokus auf die Grundtechniken.


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Worum geht es?

Kann nachhaltiger Spaß falsch sein? Im deutschen Fußball ist ein Streit über die Ausrichtung des Nachwuchses entbrannt . Ab der Saison 2024/2025 soll es veränderte Spielformen geben, kleinere Mannschaften, kleinere Spielfelder, kleinere Tore, weniger Ergebnisse. Das Ziel: weniger Leistungsdruck, mehr Entwicklung bei unter Elfjährigen. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) will durch das Konzept seine Basis stärken. Kinder sollen dem Fußball erhalten bleiben.

Die Motivation des DFB scheint klar: In der DFB-Mitgliederstatistik werden immer weniger Juniorenmannschaften geführt, 2009 waren es bei den Jungen noch 102.958 Teams. 2013 schon nur noch 92.706, zehn Jahre später 87.790 Teams. Der Trend der Mannschaften, die ausreichend Spieler für den Spielbetrieb im Jugendbereich zusammentrommeln können, zeigt deutlich nach unten.

Aber wie geht man damit um? Laut einer Studie des Verbands sagen 99 Prozent der Befragten aus dem Amateurfußball, dass Kinder möglichst viel Spaß am Spiel haben sollen. Wer den klassischen organisierten Fußball der Jüngsten in seiner Ursprungsform kennt, der weiß jedoch, dass er sich nur in seinem Ausmaß vom Fußball der Großen unterscheidet: Es gibt kleinere Felder, kleinere Tore, nur sieben Spielerinnen und Spieler pro Team und kein Abseits. In Ligen auf Kreisebene spielen die Teams um Titel. Das war selbst bei den Kleinsten so. Ab der F-Jugend geht es um Leistung.

Um das zu ändern, beschloss der DFB-Bundestag im vergangenen Jahr die Reform . Von der U6 bis zur U11 soll es Spielenachmittage in einer Turnierform geben. Ergebnisse werden dann nicht mehr festgehalten, es soll keine Tabellen geben: Teams steigen innerhalb des Turniers lediglich auf und ab. Dadurch sollen die Unterschiede zwischen den Teams nicht so groß, die Ergebnisse nicht so extrem werden. Statt nur ein Spiel pro Wochenende haben die Teams mehrere Spiele. An einem Tag können Kinder also mehrmals gewinnen und mehrmals verlieren. Gewissermaßen direkt auf Rückschläge reagieren.

Nach einer Pilotphase sollen die Strukturen im kommenden Jahr bundesweit starten. Auch dafür berief die Verbandsführung erst im August den ehemaligen Bundesligatrainer Hannes Wolf zum Entwicklungsdirektor. Wolf muss sich nun aber erst einmal rechtfertigen – gegen Vorwürfe aus dem eigenen Präsidium .

Was ist das Problem?

Hans-Joachim »Aki« Watzke bezeichnete die Reform beim Unternehmertag in Essen als »unfassbar« und »nicht nachvollziehbar«. Watzke sagte dort: »Wenn du als Sechs-, Acht- oder Neunjähriger nie das Gefühl hast, was es ist, zu verlieren, dann wirst du auch nie die große Kraft finden, um auch mal zu gewinnen. Wenn wir Angst haben, dass ein Achtjähriger komplett aus dem Lebensgleichgewicht geworfen wird, weil er mal 5:0 mit seiner Mannschaft verliert, dann sagt das auch sehr viel über die deutsche Gesellschaft aus.«

Mehr zum Thema

Weil sich Verlieren nicht mehr mit zwölf Jahren lernen lässt, so zumindest impliziert es das CDU-Mitglied Watzke. Es gebe »im DFB und in der Gesamtgesellschaft viele Leute, die sagen: Wir müssen weniger Leistungsdruck und Stress am Arbeitsplatz und lieber ein bisschen mehr Homeoffice haben. Wir müssen alle fröhlich und friedlich sein und uns alle gut vertragen und am Ende gucken, dass wir noch einen finden, der das Ganze bezahlt«. Der Nachwuchsfußball als Keimzelle des gesellschaftlichen Niedergangs?

Die Debatte erinnert an die vergleichsweise kleine Reform der Bundesjugendspiele. Bereits da hatten Konservative beklagt, dass der Leistungsgesellschaft die Grundlage entzogen werden könnte, gute Leistung würde nicht mehr belohnt. Watzke, als DFB-Vizepräsident neben Funktionären wie Rudi Völler Teil einer Kommission zur Rettung des deutschen Fußballs, will sich das nicht vorwerfen lassen und kündigte eine Reform der Reform an. »Das haben wir gerade beschlossen«, sagte er in Essen. Eine offizielle Bestätigung dafür gibt es nicht.

Die Reaktion aus dem Inneren des Verbands ist teilweise harsch. Wolf verteidigte die Reform in einer Pressemitteilung damit, dass durch die neuen Spielformen die Leistung gefordert und durch die unmittelbare Rückmeldung des Gewinnens und Verlierens gefördert werde. »Die neuen Spielformate sind nicht starr, sondern wir haben in der Zukunft immer die Möglichkeit sie weiterzuentwickeln und an die Realitäten auf Deutschlands Plätzen und auf die besten Lernbedingungen anzupassen.«

DFB-Präsident Bernd Neuendorf meldete sich via Nachrichtenagentur SID zu Wort, die Aussagen von Watzke hätten ihn überrascht. »Denn die neuen Spielformen im Kinderfußball wurden 2022 nach einer mehrjährigen Pilotphase unter enger Einbeziehung der DFL vom DFB-Bundestag in Bonn einstimmig beschlossen.« Neuendorf warf Watzke in seinen Aussagen indirekt mangelnde Kenntnistiefe vor: »Wer sich mit den neuen Spielformen beschäftigt, wird auch rasch erkennen, dass es natürlich um Leistung geht, um Gewinnen und Verlieren, um Erfolg und Misserfolg.«

Wie machen es andere Verbände?

Nun ist der DFB nur bedingt als Innovationstreiber bekannt. Warum also lehnt sich der Verband bei der Frage nach der Jugend so weit aus dem Fenster? Die Antwort ist, dass er sich gar nicht weit aus dem Fenster lehnt.

Auch der englische Fußballverband hat sich Gedanken über seine Jüngsten gemacht . Die Philosophie ähnelt der des DFB-Konzeptes, dort wird das Kopfballspiel thematisiert und in Trainingseinheiten sogar verboten (beim DFB soll es durch kleinere Spielformen automatisch umgangen werden). Darüber hinaus gibt es für unter Zehnjährige keine Ligen, sondern ebenfalls alternative Turnierformen. Das erlaube den Kindern, in einer spielerischen Umgebung zu gewinnen und zu verlieren, wie es heißt. Gespielt wird bei unter Achtjährigen in einem Fünf-gegen-fünf, bei unter Zehnjährigen im Sieben-gegen-sieben. Beim Jugendfußball für die Altersgruppen U7 und U8 geht es laut Verband um den Spaß und darum, mit Freunden zu spielen. Erst ab den Jahrgängen U9 und U10 sollen die fußballerischen Fähigkeiten im Vordergrund stehen.

Der DFB zieht auf seiner Webseite auch selbst Vergleiche : So gebe es in Frankreich bis zur U13 ebenfalls kein Ligensystem. Stattdessen werde dort auf sogenannte Fußballfestivals gesetzt, eine Idee dahinter: Alle Teammitglieder müssen mindestens die Hälfte der Gesamtspielzeit auf dem Platz stehen. Derartige Systeme gibt es auch in anderen Ländern, in Spanien etwa gibt es im Jugendfußball sogar die Drohung mit Geldstrafen, sollten nicht alle Kinder im Spielkader eingesetzt werden. Spanien ist auch ein Beispiel dafür, dass Kinder in anderen europäischen Ländern die ersten Gehversuche häufig mit Futsal wagen, einer Hallenfußballvariante mit fünf Spielern pro Team. Futsal impliziert mehr Ballaktionen pro Spielerin und Spieler und einen größeren Fokus auf die Grundtechniken.

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